Sie fliegen autonom von Haustür zu Haustür, landen punktgenau – auch auf beweglichen Zielen – und kehren ohne fremde Hilfe zurück. Das alles pünktlich, schnell und umweltfreundlich. Drohnen stehen nicht im Stau, sind nicht an das Straßennetz gebunden und tanken Strom statt fossilen Kraftstoff. Aber erobern Lieferdrohnen tatsächlich die Logistikbranche? Sind sie die ultimative Lösung für die letzte Meile in der urbanen Logistik?
Effizienzsteigerung, innerstädtische Fahrverbote oder das steigende Sendungsaufkommen: Fahrzeughersteller, Disponenten, Kurierdienste, Stadtplaner und Verkehrsforscher suchen mit Hochdruck nach Alternativen für den innerstädtischen Warentransport und für die Tourenoptimierung in Ballungsgebieten. Neben Lastenfahrrädern, E-Autos oder Mikrodepots stehen Logistikdrohnen im Fokus der Industrie. So gibt es zahlreiche Pilotprojekte, in denen die Technologie getestet wird. Welches Potenzial haben also die “Unbemannten Luftfahrzeuge” für die Logistikbranche?
Pilotprojekte für Drohnen der großen Unternehmen
Weltweit wird an den kleinen Überfliegern geforscht. Die “Großen” der Branche, von Amazon über UPS bis DHL, testen seit Jahren den Einsatz von Lieferdrohnen. Mit Amazon Prime Air denkt der Versandgigant bereits einen Schritt weiter und will mit fliegenden Distributionszentren intelligente Paketdrohnen ausschwärmen lassen. So sollen die Flugroboter mit Sensoren, Kameras und Gestenbestimmung ausgestattet werden, damit sie die Gestik, Mimik und Akustik von Menschen wahrnehmen können. Darauf sollen sie reagieren und bei Bedarf automatisch ihre Routen anpassen. So kann zum Beispiel das Heranwinken eines Menschen von der Drohne als Signal für die korrekte Auslieferung gewertet werden. Dass sich dies als eine neue Form der dynamischen Tourenplanung durchsetzt, ist aber unwahrscheinlich. So arbeiten die Unternehmen weiter an der Entwicklung smarter Konzepte, wie sich Logistikdrohnen in Transport- und Verkehrsflüsse und Tourenplanungssysteme einbinden lassen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Datenanalysen und vernetzte Strukturen, um Lieferdrohnen so einzusetzen, dass sie den städtischen Verkehr entlasten können.
Mobile Konsolidierung für die Drohnen
Planerisch betrachtet ist die Tourenoptimierung für Drohnen äußerst interessant und anspruchsvoll. Denn realistischerweise kann eine Drohne nur ein oder wenige Pakete auf einmal aufnehmen. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen eine Kombination aus einem Zustellfahrzeug und mehreren Drohnen zum Einsatz kommen könnte. Das Zustellfahrzeug bewegt sich durch das Zustellgebiet, während die Drohnen „ausschwärmen“, ein Paket zustellen, zum Fahrzeug zurückkehren, das nächste Paket aufnehmen usw. Dabei kann das Zustellfahrzeug verwendet werden, um die Drohnen bei Bedarf zu beladen und Pakete ggf. auch selbst zustellen. Vor allem wird sich das Zustellfahrzeug zwischen Abflug und Ankunft der Drohnen immer weiter im Gebiet bewegen. Damit entsteht so etwas wie ein dynamischer Konsolidierungspunkt. Nicht nur in der Wissenschaft gibt es erste Arbeiten zur Tourenoptimierung dieser Art. Auch die Automobilindustrie forscht und testet bereits. Mit dem Projekt „Vans & Drones“ und dem vollvernetzten „Vision Van“ hat Daimler ein Transporter-Konzept für die mobile Konsolidierung entwickelt: Transporter dienen dabei als mobile Start- und Landeplätze für Lieferdrohnen.
Drohne von DHL liefert Päckchen in Bonn
DHL hat für die Versorgung von schwer erreichbaren Gebieten 2013 den selbständig fliegenden Paketkopter konzipiert. Testflüge der ersten drei Generationen gingen über den Rhein, zur Nordseeinsel Juist und auf die Winklmoosalm. Der Paketkopter 4.0 hat sogar eine Insel auf dem Victoriasee angeflogen. Mit 130 km/h und 4 kg Last an Bord erzielte die Paketdrohne eine Strecke von 65 km. Obwohl DHL die Paketdrohnen noch nicht für die Massenzustellung einplant, ist vermutlich genau dies das eigentliche Ziel. Immerhin gab es schon einen Test, bei dem sich Post-Mitarbeiter in Bonn Päckchen per Drohne zustellen lassen konnten.
Noch kein Höhenflug für Drohnen in der Logistik
Logistikdrohnen haben bereits den Sprung aus dem Science-Fiction-Film in den Alltag geschafft. Doch als Lieferdrohne für die massenweise Zustellung eignen sie sich (noch) nicht. Aufgrund der relativ geringen Reichweite der Akkus und der niedrigen Zuladung können sie den “klassischen” Lieferdienst nicht ersetzen. Im urbanen Raum liegt aber die größte Herausforderung gerade darin, möglichst viele Produkte in kürzester Zeit zu transportieren. Auch die persönliche Annahme eines Pakets per Lieferdrohne ist Zukunftsmusik. Nicht zuletzt wird die Logistikdrohne an der innerstädtischen Enge und an fehlenden Landeplätzen scheitern.
Ohne Landeplätze ist der Einsatz von Logistikdrohnen nicht denkbar.
Dr. Tore Grünert
Geschäftsführender Gesellschafter
Tourenplanung mit Logistikdrohnen, Foto: Blake Wheeler
Realistischer ist da der Einsatz der kleinen Flugroboter in ländlichen Regionen, abgelegenen Dörfern oder Bohrinseln mit ausreichendem Platz für Landestationen. Apropos Inseln: Island ist in puncto Drohnennutzung Vorreiter. Zurzeit testen der Lebensmittel-Lieferant AHA und der Drohnen-Entwickler Flytrex ein Konzept für den Transport von Pizza, Burger und Co. nach Reykjavik. Auf 13 freigegeben Routen transportieren die Drohnen nun Lebensmittel durch die Luft ins Zentrum der Hauptstadt.
Drohnen in der Logistik: Die perfekten Boten
Ideal sind Transportdrohnen als Ergänzung von Lieferketten, für die Bedienung von Depots oder für die Automatisierung von Hochregal- und anderen Lagersystemen. Auch Drohnen für die Inventur, die mit Kameras den Warenbestand erfassen, sind schon im Lager angekommen. Nicht zuletzt haben sich Logistikdrohnen im innerbetrieblichen Transport auf weitläufigen Firmengeländen bewährt. Für den Flug in Hallen oder zwischen Lagern sind sie die perfekten Boten, zumal hier keine Fluggenehmigungen erforderlich sind. Eine kommerziell genutzte Drohne unterliegt nämlich der Luftverkehrsordnung. Im März 2018 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine neue Drohnen-Verordnung erlassen, die gewerblichen Nutzern allerdings mehr Möglichkeiten gibt. So heißt es: “Gewerbliche Nutzer brauchten für den Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen bisher eine Erlaubnis – unabhängig vom Gewicht. Künftig ist für den Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen unterhalb von 5 kg grundsätzlich keine Erlaubnis mehr erforderlich. Zudem wird das bestehende generelle Betriebsverbot außerhalb der Sichtweite aufgehoben. Landesluftfahrtbehörden können dies künftig für Geräte ab 5 kg erlauben.”
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